Smart Home und digitale Medien als Chance für Senioren

constanzoBarbara Costanzo

Vice President Group Social Engagement, Deutsche Telekom AG

Die Digitalisierung verändert unsere Wirtschaft und Gesellschaft in erheblichem Ausmaß. Inwieweit betrifft das auch die Senioren von heute? In welchen Bereichen können sie von der Digitalisierung profitieren?

Es gibt hier zwei Aspekte, zwischen denen man trennen sollte. Der erste ist: Wo kann die digitale Welt dazu beitragen, dass es Verständnis gibt? Das heißt, wo kann sie sensibilisieren, zum Beispiel für die Situation älterer Menschen im Allgemeinen oder im Speziellen, etwa bei Einschränkungen des Sehens oder des Hörens.

Der zweite ist: Wo trägt die digitale Welt dazu bei, dass die Situation besser wird, wo hat sie einen konkreten Nutzen? Bezogen auf alte Menschen kann das der längere Verbleib in der gewohnten Umgebung, eine längere Unabhängigkeit sein. Hier denke ich zum Beispiel an digitale Lösungen, die prüfen, ob elektrische Geräte wie Herd und Bügeleisen ausgeschaltet wurden, bevor man das Haus verlässt. Das ist nicht nur für ältere Menschen sinnvoll, aber auch!

Ein weiterer Nutzen ist die Kommunikation. Hier engagiert sich die Telekom in hohem Maße. So ist es in ländlichen Gegenden mit schlechter Infrastruktur gerade für Ältere oft schwierig, mit Familie und Freunden in Kontakt zu treten. Umso wichtiger wird die Kommunikation über digitale Medien. Vor allem soziale Medien bieten Kommunikation auf Augenhöhe zwischen den Generationen. Das kann persönliche Treffen nicht ersetzen, aber die Zeit dazwischen erleichtern und Menschen in Verbindung bringen.

Wichtig ist dann vor allem, dass digitale Lösungen niedrigschwellig sind, also gut verständlich auch für Einsteiger. Außerdem muss Rücksicht genommen werden, wenn Sehen und Hören eingeschränkt sind – die Basis für die Anwendung digitaler Lösungen für viele Zielgruppen.

Auf der anderen Seite lehrt die Erfahrung, dass ausgewiesene Seniorenprodukte gar nicht so gerne angenommen werden, weil Senioren nicht als inkompetent oder eingeschränkt wahrgenommen werden wollen. Hier muss man sich von beiden Seiten annähern: Ein großer roter Knopf für Notsituationen ist gut, doch bei anderen Anwendungen kann er diffamierend wirken und wird dann von Senioren abgelehnt.

Untersuchungen zeigen, dass die meisten Senioren der Digitalisierung gegenüber durchaus aufgeschlossen sind, vor allem wenn es um Innovationen geht, die ihnen Sicherheit bieten und den Verbleib in der eigenen Wohnung ermöglichen. Doch wenn es um moderne Kommunikationsmittel geht, sieht das schon anders aus. Wie werden digitale Lösungen Ihrer Erfahrung nach von Senioren angenommen? Wie erreicht man Ältere, die nicht damit aufgewachsen oder, etwa durch den Beruf, hineingewachsen sind?

Die Schere zwischen den Älteren, die gar keine digitalen Kompetenzen haben und den Älteren, die sich bereits selbstverständlich in der digitalen Welt bewegen, wird größer. Wenn die Generation der heute 45-Jährigen in Rente geht, hat diese 40 Jahre digitale Erfahrung.

Aus meiner Erfahrung sind Fortbildungsprojekte erfolgreich, die dort stattfinden, wo die Älteren sich bewegen. Das können unter anderem Altenheime, Seniorengruppen oder Einrichtungen des betreuten Wohnens sein. In einem Beispiel bei dem sich die Telekom engagiert im Bereich Altersarmut und Digitalisierung sind Tafeln ein guter Anlaufpunkt, um finanziell benachteiligte Menschen zu erreichen. Sehr gute Erfahrungen haben wir damit, an  die Multiplikatoren heranzutreten und ihnen zielgruppengerechtes Material zur Verfügung zu stellen. Hier gibt es im Bereich der Älteren noch Potenzial. Viel Material richtet sich an Kinder, davon fühlen sich Senioren oft nicht angesprochen. Und viel Material für Ältere wirkt abschreckend, weil es sich nur mit den Gefahren im Netz beschäftigt.

Rund 50-60 Prozent der Senioren bewegen sich in irgendeiner Form im digitalen Umfeld, sei es bei digitalen Lösungen im Haus oder in den sozialen Netzwerken. Doch Senioren sind die am schnellsten wachsende Gruppe.

Die größte Herausforderung ist heute allerdings nicht nur, die digitalen Medien bedienen zu können, sondern auch etwas hinter den Kulissen zu verstehen, also ein sicheres Gefühl zu haben, zu wissen: Wie nutze ich die Vorteile und wie schütze ich mich auf der anderen Seite vor Missbrauch? Wer sich wirklich sicher in der digitalen Welt bewegen will, muss auch verstehen, was hinter den Kulissen geschieht: Warum verbreiten sich Hassnachrichten? Warum kann unter bestimmten Umständen jeder mein Profil im Internet sehen? usw. Es geht nicht darum, Angst zu machen, sondern aufzuklären.

Die Unsicherheit, im Internet etwas falsch zu machen, aus Versehen einen Vertrag abzuschließen oder Daten preiszugeben, scheint bei Älteren stärker ausgeprägt zu sein.

Genau, darin unterscheiden sich die junge und die ältere Zielgruppe ganz enorm. Bei Kindern und Jugendlichen gilt es vor allem, für Gefahren zu sensibilisieren. Bei Senioren geht es darum, zu ermuntern und zu beruhigen. Im Gegenzug gibt es wenig Material, das die Vorteile beleuchtet – zum Beispiel an Ereignissen teilzuhaben, auch wenn man nicht mobil ist. Ältere Menschen müssen daher eher bestärkt werden, Anwendungen auszuprobieren. Oftmals ist es nur eine Frage der Zeit, bis man sich an Neues gewöhnt hat.

Im Bereich der Medizin spielt die Digitalisierung eine immer größere Rolle, wenn man an Health Apps, Videosprechstunden oder die digitale Krankenakte denkt. Welche Chancen bietet diese Entwicklung älteren Mitbürgern?

Es gibt digitale Produkte im Bereich der Medizin, die bereits gängig sind, wenn man zum Beispiel an digitale Unterstützung bei Operationen denkt. Sehr sinnvoll sind auch Dienste, die die Vernetzung von Menschen ermöglicht, die sich sonst nicht treffen würden, aber voneinander profitieren können. Ein Beispiel: Es gibt ein Netzwerk mit Ärzten und Betroffenen, die an einer seltenen Krankheit leiden. Der wichtige Austausch dieser wenigen Betroffenen untereinander und mit Ärzten ist nun deutlich einfacher geworden, unabhängig von der eigenen Mobilität und dem Wohnort. Ähnlich sinnvoll kann auch der digitale Austausch zwischen Arzt und Patient in strukturschwachen Gegenden mit Ärztemangel sein – zumindest als Ergänzung der persönlichen Arztbesuche.

Woran erkennen Senioren, die sich für neue Anwendungen interessieren, ob es sich um ein qualitativ gutes Angebot mit hoher Datensicherheit handelt?

Wir vergeben in einigen Bereichen selber Labels. Ein Blick auf den Anbieter, aber auch Kundenbewertungen können helfen. Sicherheit gibt ein Label, das durch eine unabhängige Institution vergeben wird. Eine Anwendung, die die Telekom zusammen mit einer Krankenkasse entwickelt hat, ist eine Kopfschmerz-App – dies ist die erste Gesundheits-App, die als Medizinprodukt zertifiziert wurde.

Kriminalität und unseriöse Angebote gibt es in der analogen Welt ebenso wie in der digitalen Welt. In der digitalen Welt ist die Reichweite und Geschwindigkeit der Verbreitung größer. Auf der anderen Seite ist es einfacher, sich zu informieren und auch zu warnen.

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