Gründen in Deutschland

image001
Univ.-Prof. Dr. Christoph Ihl

TUHH Startup Dock – Center for Innovation & Entrepreneurship, Academic Director TUHH Institute of Entrepreneurship

Was sind die häufigsten Gründe, warum Menschen sich entscheiden, ein Unternehmen zu gründen?

Manche gründen aus der Not heraus, weil sie sonst keine geeignete Arbeit finden. Das gibt es sicherlich auch hier in Deutschland. Andere versuchen, Ideen umzusetzen und Chancen zu nutzen. Diese sind immer sehr subjektiv. Was der eine für eine gute Idee hält, findet der andere vollkommen abwegig. Und das ist auch gut so, denn eine objektiv gute Idee gibt es nicht, sonst würden ja alle dasselbe machen, zumindest bis die Konkurrenz einen besseren Ansatz findet.

Also braucht man eine Idee, die man erst einmal nur selbst gut findet, etwas Wissen und richtig Lust, Energie hineinzustecken. Meist liegen guten Ideen Probleme zugrunde, die im Alltag auftreten und bei denen man sich fragt: „Warum machen die das eigentlich so, das ist doch furchtbar umständlich, kann man das nicht besser machen?“ Man zweifelt den Status Quo an und versucht, etwas daran zu ändern, zu verbessern.

Der Gründer wird ja oftmals als junger kreativer „Hipster“ stilisiert, trifft das zu?

Den Eindruck kann man in letzter Zeit gewinnen. Das coole Image hilft sicherlich, dass sich viele mit dem Thema Gründung beschäftigen. Wenn es viele versuchen, kommen auch mehr durch und sind erfolgreich. Und in der Tat ist Gründen auch heute einfacher geworden. 

Für vieles gibt es Dienstleister und finanziellen Hilfen, die es früher nicht gab. Man muss nicht mehr alles selber machen und wissen. Aber das Image darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Gründen harte Arbeit erfordert. Die Idee allein ist nicht viel wert, es kommt auf die viel beschworene Umsetzung an.  Das schafft man nicht, wenn man sich nur auf hippen Gründerevents herumtreibt.

Welchen Anteil haben “ältere Menschen” in der Gründercommunity und was zeichnet diese aus?

Ich habe darüber keine Statistik im Kopf, aber gefühlt und sichtbar sicherlich zu wenig. Ich kann mir vorstellen, dass viele ältere Menschen sich nach einer zweiten Karriere umsehen oder sich mit dem Ruhestand nicht zufrieden geben. Diese gründen dann in Bereichen, die die Gründer- und Startupszene gar nicht so auf dem Schirm hat.

Die skalierbare Umsetzung vieler Gründungsideen erfordert ja oft Kenntnis über digitale Technologien, wo ältere Menschen vermeintlich nicht so bewandert sind. Aber das ändert sich ja zusehends: Die älteren Menschen der kommenden Generation werden schon viel mehr von der digitalen Welt verstehen. Aber auch ihre Kenntnisse in anderen Technik- und Wirtschaftsbereichen ist nicht hoch genug einzuschätzen. Wenn man diese schon jetzt mit digitalem Know-how zusammenbringt, kann viel Neues entstehen.

Wie verhält es sich in der Geschlechterfrage: Ist Gründen männlich? Gibt es „typische“ Branchen, in denen Männer bzw. Frauen gründen?

Ja, leider. Ein deutlich höherer Frauenanteil unter den Unternehmensgründungen wäre ein sehr erstrebenswertes Ziel. Jedes innovative Startup Ökosystem lebt von Vielfalt und Vernetzung der Akteure, aus der wieder neue Ideen und Produkte entstehen. Eine “Monokultur” aus gleichartigen, männlichen Akteuren ist sicherlich sehr erfolgreich vernetzt, bringt aber eben auch tendenziell gleichartige Unternehmungen hervor. Wenn Frauen andere Themen besetzen, anders bzw. besser kommunizieren, ist das ein Erfolgsfaktor sowohl für ihre spezielle Unternehmensgründung als auch für das Hamburger Ökosystem als Ganzes. Die Präsenz von Gründerinnen als Rollenvorbilder in der öffentlichen Wahrnehmung ist dabei immens wichtig, und zwar nicht nur in typischen Bereichen wie Mode und Marketing, sondern auch in Technik und Ingenieurswissenschaften.

Man kann den Eindruck gewinnen, dass die Gründerkultur in den USA das Scheitern einer Gründung deutlich mehr toleriert als in Deutschland, ist dem so? Und wenn ja, warum wird das Scheitern in Deutschland so negativ bewertet?

Ja, das ist so, wir können das mit eigenen Daten aus der Presseberichterstattung über gescheiterte Startups in Deutschland versus USA belegen. In den USA ist man euphorischer und weniger nachtragend. 

Aber ich bin zuversichtlich, dass sich die Gründungskultur in Deutschland wie in den letzten Jahren weiterhin in die richtige Richtung bewegt. Ich habe aber auch nichts gegen bodenständige Gründungen, wie sie sicherlich ein Markenzeichen in Deutschland sind, sonst gäbe es unseren viel beschworenen Mittelstand nicht. Der Lebenszyklus von Gründungen ist aber allgemein durch die Digitalisierung und viele Hilfsangebote schnelllebiger und auch weniger risikoreich geworden. Man muss nicht mehr für jede Gründungsidee sein halbes Leben und seine gesamten Ersparnisse investieren, um zu erfahren, ob es funktioniert. Wenn man aber ein deutsches Facebook mit weltumspannendem Erfolg in der Konsumentenwelt haben will, braucht man bedingungslose Euphorie und Toleranz für ein bisschen Größenwahn und Scheitern. 

Wir benutzen Cookies
Wir verwenden Cookies, um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf unsere Website zu analysieren.